Interview: „Ein Viertel der Deutschen hat eine Migrationsgeschichte - das soll man in unseren Sendungen auch sehen“

Tobias Krell moderiert als „Checker Tobi“ das gleichnamige Erfolgsformat des Bayrischen Rundfunks. Seit mehr als zehn Jahren begeistert er Grundschulkinder unterschiedlicher sozialer Herkünfte. Wie bringt er seinem Publikum Demokratie bei?

Tobi, wir duzen Dich ausnahmsweise, wie die Kinder. Du bist gerade 40 geworden, trotzdem bist Du ein Star für Achtjährige. Wie erklärst Du Dir das?

Das sind wohl verschiedene Faktoren. Erstens: Ich mache das ja schon echt lange. Es gibt einfach richtig viele Sendungen in der Mediathek. Man kann da in ein ganzes Universum eintauchen. Zweitens: Ich bin halt Checker Tobi, die Sendung heißt so, der Song geht so, was vorne draufsteht und ist auch drin. Drittens: Es liegt vielleicht an meiner Art, Fragen zu stellen und mich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Damit bin ich hoffentlich auf dieser berühmten Augenhöhe mit dem Publikum.

Sind die Checker-Folgen demokratiestärkendes Bildungsfernsehen für Grundschulkinder?

Unbedingt! Wir haben den Anspruch, den Jüngsten in der Gesellschaft zu vermitteln, dass ihre Stimme gehört wird und vielleicht sogar den Unterschied macht. Das frühe Erleben von Mündigkeit begeistert Kinder und dann können sie dranbleiben. Wir wollen nicht nur das Wissenswerte an jedem Thema zeigen, sondern auch den gesellschaftlichen Kontext betrachten. Wir schauen zum Beispiel hinter die Kulissen von einem tollen Hotel, sprechen aber auch darüber, wie sich der Tourismus auf unser Klima auswirkt. Und dasselbe machen wir mit Themen wie Teilhabe oder Gerechtigkeit.

In welche Rolle schlüpfst Du da?

Für die Kinder mag das erstmal eine Vorbildrolle sein. Jemand, der sich was traut, hingeht und neugierig ist. Für Jugendliche wird es später wichtiger, ob sie sich selbst abgebildet sehen. Ich bin ein weißer Mann, der in Deutschland aufgewachsen ist. Es gab in meinem Leben keine Diskriminierung. Ich fand Peter Lustig toll, aber es war eben ein „Peter Lustig“. Heute hat ein Viertel der Deutschen eine Migrationsgeschichte. Das soll man auch in unseren Sendungen sehen, an den Kindern und Erwachsenen, die  da auftreten.

Durch das „Checker-Universum“ führen neben Dir noch Can, Marina und Julian. Wie geht Ihr in der Redaktion mit dem Thema Diversität um?

In allen Redaktionen sollten verschiedene Perspektiven eingenommen werden können. Unser Team ist im Durchschnitt weiblich, weiß, westdeutsch, ohne direkte Migrationsgeschichte. Und das ist bei einigen Themen natürlich ein Problem. Wir suchen uns dann Protagonist:innen, die eine andere Sichtweise mitbringen und holen uns Unterstützung von außen dazu. Wenn wir mal mit unserer journalistischen Erwachsenenperspektive nicht weiterkommen, machen wir eine Umfrage in einer Schulklasse. Recherchegespräche müssen ja nicht immer mit Expert:innen sein, sondern können auch mit Menschen einer gewissen Bevölkerungsgruppe stattfinden, um eine Perspektive einzuholen, die man selbst nicht hat. Das gilt für Redaktionen und Teams in ganz Deutschland, in vielen Branchen.

Auch in Eurer redaktionellen Arbeit spiegelt sich also der demokratische Kontext, den Ihr erklären wollt.

Ja, die Diversität, die unsere Gesellschaft längst ausmacht, muss sich überall abbilden. Und das sollte auch in den Entscheiderpositionen, also von überwiegend männlichen weißen Personen, ermöglicht werden.

Woran merkst Du, dass Eure Geschichten und Euer Bildungsanspruch wirklich Euer Publikum erreichen?

Ob Fernsehen funktioniert, ist immer schwierig zu beantworten. Ich bekomme ja nur Feedback, wenn ich unser Publikum treffe. Aber wenn ich dann erlebe, wie begeistert Kinder verschiedenster Herkünfte über unsere Inhalte sprechen, sehe ich, dass sie etwas mitnehmen in ihr Leben, in ihre Schulklassen und ihre Familien. Elternhäuser sind verschieden, aber alle Kinder werden in der Schule erreicht, und ich glaube, dass man da die Basis legen muss. Spätestens seit der Pandemie spüre ich auch, dass Lehrkräfte zunehmend mit unseren Sendungen arbeiten. Wir werden an Schulen von Neukölln bis nach München-Schwabing, auf dem Land und in der Stadt eingesetzt. Inzwischen sind es meistens Jugendliche, die auf mich zukommen und sagen: „Ey, Du warst meine Kindheit, das fand ich cool.“ Es ist total schön, sowas von einem 13-Jährigen zu hören, voller Wertschätzung und Liebe. Sie nehmen uns mit in ihr Jugend- und Erwachsenenalter.

Als Leiter des CineKindl München, des Programms für das junge Publikum beim Filmfest München, hast Du einen Überblick, welche Gesellschaft den Jüngsten gezeigt wird. Was hat sich da getan? 

Man sieht, dass die Filmschaffenden ein stärkeres Bewusstsein dafür haben, dass Diversität zumindest vor der Kamera und in der Erzählung eine Rolle spielen muss. Im französischen Jugendsozialdrama wie im schwedischen Kindergruselfilm. Es gibt immer mehr starke Mädchenrollen und nicht-weiße Kinder im Zentrum eines Films. Das Thema Klima findet öfter statt. Und, vielleicht hat das mit den Fridays For Future zu tun, es geht häufiger darum, dass Kinder aus sich selbst heraus aktiv werden und Bewegungen starten.

Ist mit 40 Jahren nicht auch mal das Erwachsenenprogramm dran?

Das Checker-Universum wächst weiter. Aber ich persönlich möchte in diesem Jahr auch die Älteren erreichen. Der SWR etwa spricht mit uns gerade über einen Film über die Spaltung der Gesellschaft und über den Hass, den wir alle immer stärker spüren.

Wann begegnet Dir Hass?

Ich habe mich am Beispiel der Letzten Generation gefragt: Wie kann es sein, dass normale Leute aus dem Auto aussteigen und Menschen an den Haaren von der Straße ziehen? Dinge entladen sich offenbar so schnell. Mir scheint, das ist in den letzten drei bis fünf Jahren extremer geworden. Das wollen wir in dem Film hinterfragen: Ist das so? Und wenn ja, warum? Was passiert bei uns Menschen? Jetzt sind wir gerade in der Recherche- und Vorbereitungsphase und wollen dieses Jahr noch drehen.

Gibt es die oft behauptete Spaltung der Gesellschaft?

Zu dem Thema hat der Soziologe Steffen Mau mit zwei Kollegen das Buch „Triggerpunkte“ geschrieben. Das Buch sagt: Eine wirkliche Spaltung gibt es eigentlich nicht, aber viele nehmen sie wahr. Wir wollen uns dem Thema in Reportagen und Experimenten nähern und dabei versuchen, „Hass“ wirklich zu verstehen. Spannend auch: Welche Rolle spielen Medien dabei, wie sich Gruppen formieren, wie laut die Ränder werden und wie wir das alles erleben?

Klingt anspruchsvoll und ergebnisoffen.

Ja, es ist nicht unbedingt für Kinder gedacht, aber ich hoffe, dass schon auch politisch interessierte Jugendliche damit etwas anfangen können. Und vor allem Menschen, die sich ähnliche Fragen stellen oder vielleicht auch schon eine Meinung dazu haben. Die Idee ist es, beim Drehen Antworten finden. 

Nach jüngsten Gesprächen mit dem SWR würde ich die konkreten Ideen lieber etwas vager halten. Den Film wird es geben, aber wir ringen gerade um den Zugang.

 

Rund 170 „Checker Tobi“-Folgen zu diversen Themen sind abrufbar in der ARD-Mediathek, bei YouTube in der „CheckerWelt“ und beim Bayrischen Rundfunk. Hier gibt es „Checker“-Unterrichtsmaterial für Lehrkräfte zum Download.

Foto: Portrait Tobias Krell (c) Jennifer Fey

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